Mit der Einführung der Soziotherapie für chronisch psychisch kranke Menschen in § 37a SGB V durch die GKV-Gesundheitsreform 2000 ist vielfachen Forderungen aus der Fachwelt Rechnung getragen worden. Die Auswertung einer vorherigen modellhaften Erprobung hat zu einer positiven Einschätzung geführt („Ambulante Soziotherapie“, Band 115 der Schriftenreihe des BMG). Gleichzeitig wurden vor und nach Beschluss des Gesetzes Befürchtungen geäußert, dass Soziotherapie die gesetzten Ziele nicht erreichen und zu inakzeptablen Kostensteigerungen führen könnte. Die Erstellung und Verabschiedung der Richtlinien gemäß § 73a SGB V und der Begutachtungsempfehlungen gemäß § 132b SGB V erforderte mehr Zeit als erhofft. In der vom Bundestag am 4.7.2002 mit großer Mehrheit verabschiedeten Entschließung „25 Jahre Psychiatrie-Reform – Verstetigung und Entwicklung“ heißt es:
„In den am 1.1.2002 in Kraft getretenen Richtlinien zur Soziotherapie ist der anspruchsberechtigte Personenkreis restriktiv definiert. Es ist fraglich, ob in der jetzigen Form die Soziotherapie den ursprünglichen Anspruch erfüllen kann, integrierter Bestandteil eines komplexen ambulanten Hilfeangebots zu sein und schwer kranke Patienten bei der Inanspruchnahme ihnen zustehender ambulanter Hilfen zu unterstützen. Soziotherapie darf keine weitere isolierte Einzelleistung darstellen. Der Deutsche Bundestag fordert eine Evaluierung der Umsetzung der Richtlinien von unabhängiger Seite, um eine erfahrungsorientierte Fortschreibung der Regelungen sicherzustellen.“
2. Ziele des Projekts
Die Effektivität und Effizienz von Soziotherapie wurde einzelfallbezogen bereits nachgewiesen (s.o.: „Ambulante Soziotherapie“, Band 115 der Schriftenreihe des BMG). Soziotherapie wurde jedoch nicht als zusätzliche Einzelleistung konzipiert, sondern stets im Zusammenhang
a) personenbezogener Komplexleistungen für psychisch kranke Menschen und
b) regionaler Verbundsysteme für Hilfen für psychisch kranke Menschen
gesehen.[1]
Seitens der vom Bundesministerium für Gesundheit eingesetzten Expertenkommission „Personalbemessung im komplementären Bereich“ wurde 1998 festgestellt, dass
- durch verstärkte Kooperation der Leistungserbringer und Verzahnung der Leistungsbereiche erhebliche Effektivitäts- und Effizienzgewinne bei der Behandlung von Menschen mit schweren psychischen Störungen erzielt werden können,
- solche Komplexleistungen jedoch bisher nur im Rahmen von Krankenhausbehandlung möglich sind, während ambulante psychiatrische Behandlung durch niedergelassene Psychiater selbst bei Verordnung weiterer Leistungen additiv bleiben und den komplexen Behandlungsbedarfen schwer und chronisch psychisch kranker Menschen oft nicht genügen.
Durch Aufnahme von „Soziotherapie“ in den Leistungskatalog der Krankenversicherung soll sichergestellt werden, dass psychisch kranke Menschen die ihrem individuellen Bedarf entsprechenden Leistungen abgestimmt und koordiniert erhalten. Dies soll Behandlungserfolge optimieren und strukturbedingte Ressourcenverschwendung vermeiden.
Mit der beantragten Evaluation soll geprüft werden,
- in welcher Form Soziotherapie eingeführt wurde,
- ob die Umsetzung den im Gesetz genannten Zielen und Anforderungen entspricht,
- ob die bestehenden Regeln ausreichen, um den optimalen Einsatz von Soziotherapie zu gewährleisten und
- ggf. welche Maßnahmen zu ergreifen sind, um einen optimalen Einsatz von Soziotherapie sicherzustellen.
3. Inhalte
Bei der Evaluation wird angeknüpft an Erfahrungen bei der Evaluation der Psychiatrie-Personalverordnung, die die Aktion Psychisch Kranke im Auftrag des Bundesministeriums für Gesundheit in Zusammenarbeit mit den Spitzenverbänden der Krankenkassen und der Deutschen Krankenhausgesellschaft durchführte.[2] Empirische Erhebungen, fachliche Einschätzungen einer Expertengruppe und Abstimmungsgespräche unter den beteiligten Verbänden führten zu einer gemeinsamen Auswertung, die Grundlage der weiteren fachlichen und politischen Diskussion wurde.
In der beantragten Evaluation der Soziotherapie sollen ebenfalls Datenerhebungen, Expertenanalysen und Verbändegespräche zu Empfehlungen unter Berücksichtigung der verschiedenen Positionen führen.
Inhalte der Evaluation sind:
1. Vorgeschichte und Erwartungen des Gesetzgebers an die Leistung „Soziotherapie“
4. Vorgehensweise
[1] Siehe: P. Kruckenberg u.a., Von institutions- zu personenzentrierten Hilfen in der psychiatrischen Versorgung, BMG-Schriftenreihe Band 116 I und II, Baden-Baden, 1998)
[2] siehe: H. Kunze, J. Pohl, U. Krüger, Bundesweite Erhebung zur Evaluation der Psychiatrie-Personalverordnung, Schriftenreihe des BMG Band 99, Baden-Baden, 1998